Liebe Festgemeinschaft!
Die heutige Ansprache ist angelegt wie ein Mosaik. Sie werden Einiges über mein Leben hören, über das ich selten oder nie gesprochen habe. Die Mosaiksteine sollen sich zu einem Bild von meinem Lebenslauf zusammenfügen. Der Humor darf dabei nicht zu kurz kommen.
Erster Mosaikstein:
Am 14. Jänner 1948 bin ich in einer Molkerei in Sankt Valentin geboren. Mein Vater war der Leiter der Molkerei. Zu ebener Erde haben die Bauern ihre Milch abgeliefert. Im ersten Stock wurde ich verwöhnt mit qualitätsvoller Milch meiner Mutter.
Die Leute im Betrieb haben mich sehr verwöhnt. Ich bekam auch eine Aufgabe. Mit einem Spielzeuglastwagen kam ich zu den Mitarbeitern im Büro, holte die Bleistifte ab, brachte sie zur Spitzmaschine und lieferte sie perfekt gespitzt wieder ab. Am Monatsanfang stellte ich mich, wie alle Angestellten, bei der Sekretärin an und erhielt in einem Lohnsackerl 10 Schilling.
Zweiter Mosaikstein:
Im September 1959 bin ich in das diözesane Internat mit Namen „Marianum“ gekommen. Die vier Jahre, die ich dort verbracht habe, haben mir keine große Freude gemacht. Wir sind wie kleine Mönche aufgewachsen, streng behütet von zwei Priestern. Es gab viele Strafen. Wer nach dem Abendgebet noch schwätzte, musste am nächsten Tag an der sogenannten Klagemauer stehen. Unser Einstieg in den Tag war: Aufstehen um 5 Uhr 30, Morgengebet um 6 Uhr, dann Messe, Frühstück und Studium. Im Schlafsaal standen 40 Betten, im Winter wurde er nur jeden zweiten Tag geheizt.
Dritter Mosaikstein:
Nach der Unterstufe übersiedelte ich in das sogenannte „Adolfinum“. Dieses Haus und die Leitung war für uns ein kleines Paradies: Schlafzimmer für je fünf Leute, eine gute Küche, viele Freiheiten. Der Geist des Hauses aber war bestimmt durch den Priester Josef Bauer, der für uns wie ein lieber Opa war. Er hatte großes Vertrauen zu uns, und wir haben es nie missbraucht. Für uns war er der BAUX. Seine Gottesdienste waren von Herzlichkeit geprägt. Er brachte den Glauben in einer Sprache, die für uns gut verständlich war. Er hat uns auch Demokratie beigebracht. Einmal in der Woche durften von jeder Klasse zwei Vertreter in sein Büro kommen. Dort wurde alles besprochen, was für die Hausgemeinschaft wichtig war. Es wurde auch abgestimmt, was wir im Fernsehen anschauen. Damals gab es nur zwei Programme, daher gab es bei der Abstimmung oft ein Duell - Sportler gegen Antisportler. Zum Abschluss der Sitzung gab es für jeden ein Stamperl Likör.
Vierter Mosaikstein:
Ab Herbst 1967 bezog ich mein Quartier im Priesterseminar in St Pölten. Ein Talar wurde angemessen, ich habe ihn heute noch, passe aber nicht mehr hinein. Ich musste mich auf neue Gesichter und neue Professoren einstellen. Von den Seitenstettner Maturanten war ich der Einzige, der ins Priesterseminar gegangen ist. Aber ich habe bald neue Freunde gefunden, sie kamen aus dem Melker Seminar aus der Aufbaumittelschule in Horn oder aus anderen Gymnasien. Es gab unter uns eine kleine Gruppe von Studenten, die es für gut hielten, ein Jahr auf einer großen Universität zu studieren. Schließlich haben wir das erreicht. Das Studienjahr 1971/72 verbrachten Hannes, Gustl und ich in Graz. Wir wohnten im Ordenshaus der Lazaristen in der Mariengasse und besuchten eifrig die Vorlesungen auf der Universität. An den Samstagen halfen wir in einem Supermarkt mit. Hier in Graz entdeckten wir, dass sich auch Frauen mit Theologie beschäftigen. Das Gespräch mit ihnen tat uns sehr gut, denn bisher hatten wir ja nur mit Männergemeinschaften zu tun.
Fünfter Mosaikstein: Pastoraljahr in einer Pfarre
Im letzten Jahr des Studiums gab es ein Praktikum in einer Pfarre und Tage im Priesterseminar. Ich hatte Glück und landete bei Pfarrer Karl Permoser in St. Pölten/Wagram. Er hatte eine besondere Gabe, Gottesdienste zu gestalten, und sein Religionsunterricht war großartig. Er war auch für mich ein guter Lehrer. Weil es mir bei ihm so gut gefallen hat, bin ich gleich in den Pfarrhof eingezogen.
Sechster Mosaikstein: Diakonweihe und Priesterweihe
Die Weihe zum Diakon erhielten wir im Frühjahr 1973 in der Kapelle des Priesterseminars durch Weihbischof Alois Stöger, die Priesterweihe spendete Bischof Franz Zak am 29. Juni 1973 in der Kirche Krems St.Veit. Das war vor 50 Jahren.
Siebenter Mosaikstein: Kaplan in St. Pölten/Wagram und in Tulln
Das erste Kaplansjahr durfte ich in St. Pölten/Wagram verbringen. Von Pfarrer Karl Permoser habe ich viel gelernt. Ich betreute zwei Jugendgruppen und hielt Religionsunterricht in der nahe gelegenen Schule. Das war für mich ein froher Einstieg in meine Aufgabe als Kaplan. Nach diesem Jahr wurde ich am 1. September 1974 nach Tulln beordert, durch einen sogenannten „blauen“ Brief.
Achter Mosaikstein: Warum ich schon im Jahr 1966 beschlossen habe, dass ich nie nach Tulln kommen will
Pater Alkoin Loley, ein Tullner, war unser Professor in Deutsch und Religion und unser Klassenvorstand. Sein Vater Josef ist im Jahr 1966 gestorben. Mit 3 anderen Schulfreunden sind wir als Delegation der Klasse nach Tulln zum Begräbnis gefahren. Als Begrüßung haben wir, als wir uns Tulln näherten, die damals verrosteten Zuckerspeicher der Zuckerfabrik gesehen. Auch die Innenstadt war nicht sehr schön. Da habe ich mir gedacht: „Nie im Leben will ich nach Tulln kommen!“
Ich fange aber gleich zu loben an. Unter den Bürgermeistern Pircher, Stift und Eisenschenk ist Tulln ein Schmuckkästchen geworden. Und die Stadt wird immer noch schöner und attraktiver. Die Leute leben gerne in dieser Stadt, und ich freue mich, dass ich bereits zu meinem 50. Geburtstag Bürger der Stadt Tulln werden durfte.
Neunter Mosaikstein:
Leute fragen oft: „Wie war dein Weg zum Priester?“
Der Versuch einer Antwort: Schon als Volksschüler hat mich Gemeinschaft angesprochen. In der Volksschulzeit war ich Ministrant. Oft bin ich an Sonntagen gleich in beide Vormittagsmessen gegangen. Das hat mir gefallen: eine volle Kirche, das Beten und Singen und ein „Mostviertler Phänomen“ - fast alle Mitfeiernden sind auf dem Kirchenplatz beisammen gestanden und haben miteinander gesprochen, und immer war auch der Herr Pfarrer dabei.
Als ich dann in der ersten Klasse Hauptschule mit meinem Cousin Karl einen gewissen Heinrich Geiblinger besuchte, entstand daraus eine Lebensfreundschaft. Heinrich studierte damals im Priesterseminar St. Pölten und nachdem er Priester geworden war, bestieg ich regelmäßig mit ihm die Berge, angefangen vom Admonter Reichenstein bis auf den Traunstein und den Dachstein. Von ihm lernte ich Ausdauer und Humor.
Der zweite geistliche Begleiter war mein Valentiner Lieblingskaplan Franz Stranner. Als er Pfarrer in Martinsberg im Waldviertel war, verbrachte ich viele Jahre lang je eine Woche in seinem Pfarrhof. Nachdem er keine Haushälterin hatte, gingen wir zum Frühstück und zum Mittagessen ins Gasthaus, das Abendessen kam aus dem Kühlschrank. Mit dem Rad bin ich zu ihm hingefahren, mit dem Rad habe ich das Waldviertel erkundet. Bei ihm habe ich gelernt, selbstständig zu sein und mir den Tag selbst einzuteilen. Ich bewunderte seine herzliche Art, wie er mit den Leuten umging, und seinen Humor.
Zehnter Mosaikstein: St. Severin und Tulln
Über St. Severin und die Entwicklung von der Seelsorgestelle zu einer Pfarre und dem Bau des Pfarrzentrums habe ich bei den verschiedensten Festansprachen zum Severinfest im Jänner und zum Pfarrfest im September ausreichend gesprochen.
Darum spreche ich jetzt noch ein paar Sätze über die Stadt Tulln:
Von meinen 50 Priesterjahren habe ich 49 Jahre in Tulln verbracht, zuerst als Kaplan in der Pfarre St. Stephan, dann als Pfarrer von St. Severin. Jetzt als Pensionist bin ich auch noch in der Pfarrkirche und jeden Freitag im Pflegeheim tätig.
Die Stadt Tulln hat sich in dieser Zeit prächtig weiter entwickelt. Die Leute wohnen gern in Tulln. Die Besucher bewundern die Gartenstadt Tulln.
Ich lebe auch sehr gerne in Tulln.
Ich bin ein Tullner geworden.
Der letzte Satz: Sankt Severin und Tulln, das war ein Glücksfall für mich!