7. Sonntag der Osterzeit
1. Lesung: Apg. 1, 12-14
2. Lesung: 1 Petr. 4,13-16
Evangelium: Joh. 17,1-11a
Wortgottesfeier am 21. Mai 2023
Ansprache
Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Talkshows sind in. Prominente werden zum Gespräch eingeladen und dürfen über ihr Leben, ihren Beruf, ihre Ideen und Pläne erzählen
In den Gottesdiensten der Osterzeit hören wie Texte des Evangelisten Johannes, und ihn würde ich gerne in einer solchen Talkshow erleben – um seine Gedankenwelt näher kennen zu lernen und zu erfahren, was er mir mit seinem Evangelium besonders ans Herz legen will. Also stelle ich mir vor, in der Talkshow „Christen fragen Evangelisten“ wäre er jetzt zu Gast.
Talkmaster: Verehrter Johannes, ihr letzter öffentlicher Auftritt liegt schon lange zurück. Umso mehr freut es uns, dass sie sich heute unseren Fragen stellen. Isaac Newton, der bekannte Naturforscher, hat einmal gesagt: „Wir müssen das Evangelium nicht lesen wie ein Notar ein Testament liest, sondern wie es der Erbe liest. Wie soll man denn ihr Evangelium lesen?
Johannes: Ein hervorragender Vergleich! Der Notar liest ein Testament distanziert. Er prüft, ob alles juristisch korrekt ist. Ganz anders der Erbe: Wenn ihn eine besondere Beziehung mit dem Verfasser des Testaments verbindet, liest er seine Worte mit innerer Anteilnahme. Er fühlt sich ihnen verpflichtet und möchte sie beherzigen. Genau so soll man die Worte Jesu lesen, die ich aufgeschrieben habe. Sie sind von mir bewusst als ein Vermächtnis formuliert, als sein Testament, in dem er uns als Erben einsetzt und reich beschenkt.
Talkmaster: Das Erbe, das Jesus uns hinterlässt, nennen Sie „ewiges Leben“. Das klingt nach Tod und Jenseits. Hat Jesus uns nichts hinterlassen, was jetzt schon erfahrbar ist?
Johannes: Sie haben Recht, damit trifft er nicht mehr das, was ich unter dem Vermächtnis Jesu verstehe. Deshalb schlage ich vor, lieber vom neuen, wahren oder erfüllten Leben zu sprechen: Es beginnt schon jetzt – in dem Moment, in dem ich mich für den Glauben an Jesus Christus entscheide – und es hört im Tod nicht auf.
Talkmaster: Gut, sagen wir neues oder wahres Leben. Das klingt aber immer noch sehr abstrakt. Was genau sollen wir uns denn darunter vorstellen?
Johannes: Einmal habe ich es so formuliert: „Das ist das ewige – oder das neue – Leben: Dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast.“ Das bedeutet: Jesus Christus erkennen als den, der uns den Willen Gottes anschaulich vorlebt. Mit „Erkennen“ meine ich einen dynamischen Prozess: Jesus suchen; sich ihm annähern; sich in seine Botschaft vertiefen.
Talkmaster: Können Sie noch etwas konkreter sagen, worin der Mehrwert einer christlichen Lebenspraxis besteht? Heute fragen ja viele: „Was bringt es mir, wenn ich Christ bin? Was habe ich davon, wenn ich mich an der Botschaft Jesu orientiere?“ Darf man überhaupt so fragen?
Johannes: Natürlich! Wenn sich durch den Glauben an Jesus Christus bei mir nichts zum Guten hin verändert, – welchen Sinn hat er dann? Ich habe in meinem Evangelium verschiedene Antworten versucht und sie Jesus in den Mund gelegt.
Wer sich auf Jesus einlässt, der kann aus der Beziehung mit ihm Kraft schöpfen; der findet bei ihm Worte, die stärken und aufbauen. Deshalb lasse ich ihn sagen: „Ich bin das Brot des Lebens.“
Wer sich auf Jesus ein lässt, dem geht auf, dass er in seinem Leben nicht auf sich allein gestellt ist, sondern geführt, begleitet und beschützt wird. Deshalb versichert Jesus in meinem Evangelium den Menschen: „Ich bin der gute Hirte. Ich kenne die meinen, und die meinen kennen mich.“
„Ich bin die Tür, der Weg, der Weinstock“, – auch diese Worte lege ich ihm in den Mund. Wer sie nicht distanziert wie ein Notar liest, sondern interessiert und dankbar wie ein Erbe, dem kann aufgehen, was wahres und erfülltes, was ewiges Leben bedeutet.
Talkmaster: Verehrter Johannes, Martin Luther hat sie einmal als „Wiederkäuer“ bezeichnet, weil sie das große Thema Ihres Evangeliums in immer neuen Variationen wiederholen. Ich bin sicher, wir brauchen diese Wiederholungen, um uns Schritt für Schritt an diese wirklich frohe Botschaft heran zu tasten.
Deshalb hoffe ich, dass es auch in unserer Reihe „Christen fragen Evangelisten“ eine Wiederholung mit Ihnen gibt. Herzlichen Dank für das Gespräch!