Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit, Weißer Sonntag
1. Lesung: Apg. 2, 42-47
2. Lesung: 1 Petr 1,3-9
Evangelium: Joh. 20, 19-31
Gedanken zum Evangelium
Vielleicht sind ihnen heute einige Stellen der Lesung und des Evangeliums fremd vorgekommen. Ich habe die Texte aus der Neuen Einheitsübersetzung in heutiger Sprache genommen. Mir gefällt diese Übersetzung sehr gut, da man sie leichter versteht bzw. die Texte mit anderen Ohren hört.
Liebe Gottesdienstgemeinschaft
Mein Schwerpunkt liegt heute auf dem „ungläubigen“ Thomas. Ich bin auch so eine „Ungläubige“ – ich möchte „Beweise“ sehen, nicht nur glauben. Geht es ihnen auch so?
Wie gerne hätte ich oft ein Zeichen von Gott, das meinem Glauben Gewissheit geben könnte, es mir leichter machen könnte gewisse Situationen/Momente im Leben besser zu meistern bzw. leichter ertragbar zu machen. Geht es Ihnen manchmal auch so?
Doch er gibt uns kein Zeichen. Er sagte:“ Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.“
Lenin, ein ehemaliger Regierungschef der Sowjetunion, hatte eine Maxime: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Ich finde das ist gut nachvollziehbar. Wer sich einmal auf die vielversprechenden Worte eines charmanten Vertreters verlassen und dabei vergessen hat, das Kleingedruckte des Kaufvertrages genau zu prüfen, wird Lenin ohne Wenn und Aber recht geben. Und wer einmal von einem Menschen, dem er im Vertrauen Informationen weitergegeben hatte, hintergangen und enttäuscht wurde, wird in Zukunft vorsichtiger sein und so lange Distanz wahren, bis er sich der Loyalität des anderen sicher sein kann.
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – Lenins Faustregel lässt sich auf alle Bereiche unseres Lebens anwenden: Ob bei der Wahlpropaganda von Politikern und Parteien, ob bei den verlockenden Versprechungen der Werbung – immer lohnt sich ein Blick hinter die schöne Fassade, eine Stichprobe, ein Test, ob die Worte der Realität standhalten. Besonders notwendig wird eine gründliche Prüfung, wenn wir eine Antwort brauchen auf die wichtigsten Fragen: Wo finde ich Kraft zum Leben? Was gibt meinem Leben letztlich Tiefe, Sinn, Bedeutung? Was lässt mich auch Durststrecken und dunkle Etappen überstehen? Oder wenn wir uns entscheiden müssen, wie wir unser Leben gestalten wollen, an welchen Werten und Zielen wir uns ausrichten möchten. Bei den Antworten, die uns hier angeboten werden, können wir uns eine Qualitätskontrolle nicht ersparen.
Liebe Mitfeiernde, im heutigen Evangelium steht der Apostel Thomas im Mittelpunkt. Er ist ein Prototyp eines Menschen, der sich bis zum Grund seines Lebens durchfragt, der nicht blind den Worten seiner Freunde vertraut, der sich seine Glaubensentscheidung nicht leicht macht. Er will selbst dem auferstandenen Jesus begegnen. Er will selbst spüren, dass die Worte, Taten und Ideen Jesu auch nach seinem Tod lebendige Wirklichkeit sind. Und er macht eine umwerfende Erfahrung: Es kommt der Punkt, wo alles Prüfen und Kontrollieren ein Ende hat, wo alles Fragen einmündet in Vertrauen und Glauben. Es kommt die Zeit für das aus Überzeugung gesprochene Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott!“
Diese Einsicht könnte auch unser Leben verändern, das wäre wirklich revolutionär, wenn wir mit Thomas immer wieder den Punkt erreichen könnten, an dem Lenins Satz auf dem Kopf steht: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.“