Liebe Festgemeinschaft!
Die heutige Festpredigt beginne ich mit den Römern, dann komme ich zu den ersten Christen und dann zu unserem Pfarrpatron, dem Hl. Severin.
Liebe Gottesdienstgemeinschaft! Ob man religiös ist oder nicht - ob man sich je mit der Geschichte des Christentums befasst hat - die meisten Menschen werden die folgenden Fragen höchstwahrscheinlich mit „Ja“ beantworten: Ist die Würde des Menschen unantastbar? Soll Kranken und Schwachen geholfen werden? Ist die Nächstenliebe ein hohes Gut?
Diese Werte waren in der Menschheitsgeschichte nicht selbstverständlich. Das Auftreten dieser Werte lässt sich genau datieren: mit der Geburt und dem Wirken Jesu, zu einer Zeit, als Rom die Supermacht der Antike war.
Dieses römische Reich brachte vieles hervor, auf dem das moderne Europa aufbaut: Die Römer hatten ein hoch entwickeltes Rechts- und Verwaltungssystem, eine bemerkenswerte Infrastruktur und großartige Ingenieurleistungen. Das aber war nur die eine Seite Roms. Die andere Seite: Neugeborene wurden auf die Müllhalden geworfen. Kranke, Alte und Schwache wurden ihrem Schicksal überlassen, Verkrüppelte verjagte man aus dem öffentlichen Leben.
Roms Errungenschaften waren nur einer Minderheit vorbehalten, alle anderen waren erbärmlichen Lebensumständen, Seuchen und Krankheiten ausgesetzt. Und ein großer Teil der Menschen verfügte nicht einmal über persönliche Freiheit, sie waren Sklaven.
In dieses Vakuum platzte die Botschaft des gekreuzigten Wanderpredigers Jesus von Nazareth wie ein Urknall der Nächstenliebe: Liebe deinen Nächsten, sei barmherzig, glaube und du wirst erlöst.
Mit der Geburt des Christentums und durch das hingebungsvolle Engagement der frühchristlichen Gemeinden traten die Armen und Ausgestoßenen, die Verfolgten und Geschundenen in das warme Licht des öffentlichen Wohlwollens. Erstmals erfuhren diese Menschen Nähe, Wertschätzung und Mitgefühl ganz im Sinne Jesu Christi. Sie waren auch die besonders Schutzbefohlenen des Gekreuzigten. Er hatte sie seliggesprochen.
Daraus folgten zwei fundamentale Forderungen an das christliche Verständnis vom Menschen. Das war neu für die Einstellung in der Antike. Erstens: Die Menschenwürde eines jeden Menschen war ab jetzt unantastbar, unabhängig davon, ob er schwach, krank oder arm ist.
Zweitens: Das Christentum brachte einen Auftrag: Der Mensch wurde angespornt, tätig zu sein - für seinen Nächsten. Daraus entwickelte sich die organisierte Nächstenliebe: Die Schwachen, Kranken und Besitzlosen durften jetzt hoffen, dass ihnen geholfen wird. Für die Starken und Besitzenden gab es das Gebot, zu helfen. Freiwillig für die Allgemeinheit Opfer zu bringen, lag nicht in der „Natur“, sondern ist eine Kulturleistung des Christentums.
Vor mehr als 1500 Jahren gehörte unsere Heimat noch zum Römerreich. Etwa 15 Jahre vor Christ Geburt war auch der Ostalpenraum dem Weltreich der Römer eingegliedert worden. Das ehemals keltische Norikum wurde in eine römische Provinz gleichen Namens umgewandelt. Die Donau war die Grenze zu den germanischen Stämmen. Im Laufe von 400 Jahren wurde diese Grenze immer unsicherer. In der Zeit der Völkerwanderung konnte das Römerreich dem Vordringen fremder Völker noch widerstehen. Aber auf Dauer gelang das nicht mehr.
In diesem Gebiet - in unserem Gebiet - trat der heilige Severin in der Mitte des 5. Jahrhunderts auf. Er war ein bebilderter Mann römischer Herkunft - aber was für uns viel wichtiger ist - ein Heiliger der Nächstenliebe - ein begeisterter Christ in Wort und Tat. Seine Fürsorge erschöpfte sich nicht in frommen Worten. Er organisierte- offenbar als Erster in unserer Gegend - das Zehentwesen. Jeder Besitzende stellte vom Ertrag seiner Äcker den zehnten Teil für die Notleidenden zur Verfügung.
Als 2 Beispiele seiner Nächstenliebe spreche ich zum Abschluss meiner Festpredigt zwei Szenen an, die auf den rechten Bronzeplatten beim Haupteingang unserer Kirche zu sehen sind:
1. Szene: Als der heilige Severin wieder einmal Tulln besuchte, sprach sich das sofort herum. Einer der hohen Beamten des Germanenkönigs Feletheus setzte über die Donau über und legte Severin seinen schwerkranken kleinen Sohn vor die Füße. Er bat Severin um das Gebet für die Heilung des Kindes. Nach dem Gebet erhob sich das Kind und war wieder ganz gesund.
2. Szene: Im Gebiet der Donau gab es einen harten Kälteeinbruch. Severin schickte Leute in den Süden von Norikum, um eine Kleidersammlung abzuholen. Auf diese Weise rettete er viele Menschen vor dem Erfrieren.
Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Zum Abschluss: Das Reich der Römer, die ersten Jahrhunderte des neuen dann der heilige Severin! Römische Bildung verbindet sich mit einem Glauben an die Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Heute vor 1541 Jahren ist der Hl. Severin gestorben und zu Gott heimgekehrt. Unsere Pfarre ist 41 Jahre alt, denn sie wurde am 1500. Todestag des Hl. Severin gegründet. Das ist auch heuer wieder ein Grund zum Feiern.
Wir bitten: Heiliger Severin, begleite weiterhin unsere Pfarre!