Predigt am 4. Adventsonntag
18. Dezember 2022
Ein schweigsamer Mann, dieser Josef von Nazareth. Keine Rede, kein Satz, kein Bekenntnis, nicht einmal ein einziges Wort ist von ihm in der Bibel überliefert. Eines ist gewiss: Er, der in der gesamten kirchlichen Tradition im Schatten Marias steht und in der Weihnachtszeit nur als Randfigur wahrgenommen wird, er konnte zuhören. Josef hatte ein offenes Ohr für die Botschaft Gottes.
Vier Dinge fallen mir auf, vier Gedanken kommen mir zu diesem Evangelium, das die Verkündigung an Josef zum Inhalt hat.
Erstens:
Wie Maria, so bringt ein Engel auch Josef die Botschaft.
Ein Engel erscheint ihm im Traum und erklärt ihm, was es mit Maria auf sich hat.
Wir können uns vorstellen, wie sehr Josef verwirrt war, ja regelrecht geschockt, als er erfährt, dass Maria schwanger ist, aber nicht von ihm.
Wie sehr mag er enttäuscht gewesen sein!
Fragen quälen ihn, Zweifel nagen an ihm.
Eine ganz große Krise im Leben des hl. Josef, eine Zerreißprobe!
Was machen? Wie sich verhalten?
Der Engel bringt Licht in sein Dunkel und Klarheit in seine Verwirrung. Wie bei der Verkündigung an Maria, so sagt der Engel auch zu Josef: „Fürchte dich nicht!“ Der Engel befreit ihn vor Angst und Sorge. Er schenkt Josef Zuversicht, Mut und Vertrauen.
Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Sehnen wir uns nicht alle nach einem solchen Engel?
Brauchen wir nicht einen solchen Engel immer wieder?
Einen Engel, der uns aufrichtet, wenn wir ganz unten sind?
Einen Engel, der Licht bringt, wenn wir im Dunkeln tappen.
Einen Engel, der uns wieder durchblicken lässt, wo wir keinen Ausweg mehr sehen?
Einen Engel, der uns Zuversicht schenkt?
Einen Engel, der uns stärkt, wenn wir müde und schwach sind?
Wir wissen, auch wir können füreinander Engel sein, einer für den anderen.
Ein zweiter Gedanke:
Der Engel sagt zu Josef: „Du sollst ihm den Namen Jesus geben.“
Jesus heißt: Gott ist Retter, Gott ist Heil.
Im Namen kommt die Sendung und Bedeutung des Kindes zum Ausdruck: Heiland, Retter, Erlöser!
Jesus bringt uns die Vergebung des Vaters. In ihm schenkt Gott uns seine Gnade und sein Erbarmen.
Wie viele Menschen haben in der Begegnung mit Jesus Gott erfahren als einen, der rettet und heilt, der hilft und befreit!
Denken wir nur an die Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin, wo er sagt: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein!“
Jesus ist die verkörperte Treue und Barmherzigkeit Gottes!
Drittens:
Jesus hat Gott seinen Vater genannt. Er hat zu ihm „Abba“ gesagt. Darin drückt sich eine ganz intime, familiäre Beziehung aus.
Wie hätte Jesus zu seinem Vater so sprechen können, wie hätte er eine solch vertraute Beziehung zu seinem Vater im Himmel haben können, wenn er nicht mit seinem Pflegevater Josef entsprechend gute Erfahrungen gemacht hätte, positive Vatererfahrungen.
Hätte sonst das Wort „Vater“ diesen Gehalt und diese Tiefe bekommen, die es in der Verkündigung und im Leben Jesu hatte?
Auch wir dürfen zu Gott „Abba“ sagen. Gott ist für uns wie ein guter Vater und wie eine liebende Mutter.
Ein letzter Gedanke:
Wie Maria, genauso, nicht weniger, hat auch Josef der Botschaft des Engels Glauben geschenkt.
Wie Maria, so hat auch Josef ganz auf Gott vertraut.
Er spricht zwar nicht „Mir geschehe nach deinem Wort“.
Josef spricht und redet in der Bibel überhaupt nicht, aber:
Er tut, was Gott ihm sagt.
Er geht, wohin Gott ihn schickt.
Er ist da, wo er gebraucht wird und übernimmt Verantwortung.
Für mich ist Josef ein ganz großer im Reich Gottes.
Mit ihm konnte Gott rechnen, ohne sich zu verrechnen.
Und er hat mit Gott gerechnet und nach seinem Willen gehandelt.
Darin ist Josef für mich Vorbild und er kann es für uns alle sein.
Damals wie heute braucht es Menschen wie Maria und Josef.
Menschen, die offen sind für Gottes Geist.
Menschen, empfindsam und einfühlsam für die Eingebungen Gottes.
Menschen, schweigsam, hörend, empfänglich für Gottes Wort.
Menschen, die Gott etwas zutrauen über die eigenen Möglichkeiten hinaus.
Menschen, für die Gott absolute Priorität hat.
Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
In wenigen Tagen feiern wir das Fest der Geburt Christi. Gott ist Mensch geworden, so sagt es uns die Weihnachtsbotschaft. Eigentlich eine Ungeheuerlichkeit. Und doch dürfen wir darauf vertrauen - wie Josef.