Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Im Jahr 1973 bin ich am 29. Juni in Krems in der Kirche St. Veit zum Priester geweiht worden.
Als Kaplan und später dann als Pfarrer musste ich in meine Rolle hineinwachsen. In dieser Zeit habe ich auch Dinge wahrgenommen, die mich geärgert haben.
Zum Beispiel: Wir haben ein Messbuch, das nach dem Konzil verfasst wurde und jetzt nach Jahrzehnten veraltet ist, weil es teilweise total unverständliche Formulierungen enthält.
Ein Beispiel: Es heißt in einem Schlussgebet bei der hl. Messe: „Gott, wir haben das Unterpfand der ewigen Herrlichkeit gefeiert.“ Unterpfand der ewigen Herrlichkeit – was soll das heißen? Ich habe mich mit einigen Leuten besprochen und da ist umformuliert herausgekommen: „Gott, wir haben durch diese Feier einen Vorgeschmack auf das ewige Leben bei dir bekommen“. Das hat uns schon besser gefallen!
Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass ich die Gebete am Sonntag von einem Zettel ablese. Aus der Not heraus haben begabte Leute Gebetstexte verfasst, die für uns besser verständlich sind. Denn auf das neue Messbuch werden wir noch Jahre warten.
Ich darf aber heute auch etwas Positives sagen. Seit kurzer Zeit gibt es eine sogenannte revidierte Einheitsübersetzung der Bibel. Es wurde die Bibel durchforstet und ich freue mich, dass zwei Formulierungen bzw. Worte geändert wurden.
Beispiel eins: Früher war in der zweiten Lesung vom kommenden Sonntag zu vernehmen: „Ich ermahne euch Brüder, seid einmütig.“ In Zukunft wird es heißen: „Ich ermahne euch Brüder und Schwestern,…“
Paulus hat diesen Brief an die Christengemeinschaft in Korinth geschrieben – historisch bedingt spricht er nur die Männer an. Nachdem wir aber sagen: dieser Brief hat bis heute eine Bedeutung für unsere Kirche, darum ist es gerechtfertigt die „Schwestern im Glauben“ unbedingt zu nennen. Wenn ich bei den hl. Messen in die Kirche schaue, sehe ich auch immer mehr Frauen als Männer.
Beispiel zwei: Interessanterweise geht es dabei nur um einen Buchstaben. Im Laufe meiner Tätigkeit habe ich erfahren, dass man eine Frau, die in ihrer Christengemeinschaft eine wichtige Rolle gespielt hat, durch einen zusätzlichen Buchstaben in ihrem Vornamen zu einem Mann gemacht hat. Wie konnte das passieren? Wir wissen doch, dass die Frauen im Leben Jesu eine wichtige Rolle gespielt haben. Er hat sich mit Frauen getroffen, Frauen unterstützten ihn, sie gewährten ihm Gastfreundschaft und begleiteten ihn.
Jetzt kommt die Politik ins Spiel – die Kirchenpolitik. Es geht um den Namen:
Aus Junia wurde Junias. Bis in das Hochmittelalter dürfte Junia als Frauennamen angesehen worden sein. In einer Männerkirche, die den Frauen kein kirchliches Amt zutraute, wurde der Name geändert. Ich vermute auch eine Angst in dieser Männerkirche. Nachdem Paulus Junia sogar in eine Gruppe von Aposteln einreiht – also Apostelin Junia – war das manchen zu viel.
Ich stelle mir das mit meiner lebhaften Fantasie so vor: Das oberste Management der Kirche hat lebhaft diskutiert: Katastrophe, wo kommen wir da hin? Zum Schluss lesen die Leute noch in der Bibel nach. Die Frauen könnten protestieren: Warum dürfen wir nicht Diakoninnen werden, warum nicht Priesterinnen, usw. Da gehört etwas unternommen sprach das Management. Und sie hängten ein „s“ an den Namen. Aus Junia wurde Junias, aus einer Frau wurde ein Mann. So einfach geht das!
Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Nach langen Hin und Her hat man jetzt die Fälschung offiziell beseitigt. Ich freue mich, dass in der Revidierten Einheitsübersetzung wieder die Apostelin vorkommt!