Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Jesus verwendet in seinen Reden gerne Beispiele aus der Natur. Da weiß er genau, dass ihn die Leute verstehen. Auf das kurze Gleichnis am Beginn des heutigen Evangeliums lege ich den Schwerpunkt meiner Predigt.
Das Senfkorn ist eines der kleinsten Samenkörner. Trotzdem entsteht, wenn man das Samenkorn in die Erde steckt, ein stattliches Gewächs. Aus einem kleinen Beginn kann etwas Großes entstehen. So ist es auch mit dem Glauben eines Menschen, er kann sich gut weiterentwickeln und wird zu Großem fähig. Es geht also heute um den Glauben. Denn die Apostel bitten Jesus: Stärke unseren Glauben!
Der Glaube eines Menschen kann auch in die Irre gehen. Manche Christen glauben, durch viele gute Taten Gott gnädig zu stimmen. Aber Gott ist nicht käuflich. Genau um dieses Thema und natürlich auch um andere geht es in einem Buch, das ich schon fast ausgelesen habe. Der Theologe Hermann-Josef Frisch schreibt einen Briefwechsel zwischen Martin Luther und Papst Franziskus. Beim Lesen ist mir klar geworden: Die Auseinandersetzung zwischen Martin Luther und der Kirche ist genau um das Thema des Glaubens gegangen. Damals haben viele Christen geglaubt, mit Spenden, um einen Ablass zu gewinnen, können sie Gott gnädig stimmen.
Martin Luther hat nach intensivem Studium der Bibel, vor allem des Römerbriefs eine Reform des Gottesbildes vorgenommen. Ein wichtiges Thema ist „der Glaube und die guten Werke“. Es ist für Papst Franziskus und Martin Luther klar: Es gibt keinen Glauben ohne gute Werke. Es geht aber um die Reihenfolge. Muss ich gute Werke tun, Spenden geben, Ablässe um Geld erwerben, oder ist die Reihenfolge anders. Luther meint: Zuerst kommt der Glaube und dann die guten Taten. Die guten Werke müssen aus dem Glauben erwachsen und nicht umgekehrt. Wenn wir gläubige Menschen sind, dann werden wir keine Anweisung brauchen, wir werden von selbst gute Werke tun.
Ich habe einen Mann gekannt, der nicht getauft war. Er hatte trotzdem einen Glauben. Er glaubte an den Wert jedes einzelnen und an die Kraft der Nächstenliebe. Regelmäßig nahm er ein behindertes Kind mit in den Urlaub und bereitete dem Buben wunderschöne Tage.
Unser Glaube öffnet uns für Gott selbst und seinen Willen. Gott verlangt nichts anderes, als dass ich ihn zu meinem Lebensmittelpunkt mache.
Im Jahr 1959, am Beginn meiner Internatszeit, habe ich im Studentenkino den Film „Der veruntreute Himmel“ gesehen. Bei dem Film ging es genau um das heute angesprochene Thema: Eine ältere Dame (dargestellt von Anni Rosar) will sich den Himmel durch gute Werke erkaufen. Jahrelang unterstützt sie finanziell einen Priesterstudenten und kommt dann darauf, dass er zwar das Geld nimmt, aber schon längst nicht mehr im Priesterseminar lebt. Sie ist maßlos enttäuscht, denn sie wollte sich den Himmel erkaufen.
Papst Franziskus und Martin Luther sind sich einig, dass die Kirche des 16. Jahrhunderts dringend eine Reform brauchte. Leider kam es zu einer Glaubensspaltung. Heute finden wir durch einen mühsamen Dialog wieder zusammen. Das Buch, das ich gelesen habe, trägt auch dazu bei. Eines ist klar für Katholiken und Protestanten: Zuerst der Glaube an Gott und aus einem starken Glauben folgen die guten Werke.
Auch das „Vergelt`s Gott“ in vielen Briefen mit der Bitte um Spende und beim Absammeln in der Kirche könnten wir uns sparen. Denn wer glaubt tut gern etwas Gutes und nicht, weil Gott es ihm vergelten wird.