Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Jeden Freitag-Nachmittag feiere ich im Rosenheim um 15 Uhr einen Gottesdienst. Bei dieser Messe verwenden wir die Texte vom kommenden Sonntag, also heute, vom Dreifaltigkeitssonntag. Eine der Fürbitten ist mir besonders aufgefallen. Sie hat gelautet und wird auch heute lauten: „Für alle, die durch krankmachende Gottesbilder den Glauben verloren haben, für die, die mit dem Namen Gottes leichtfertig umgehen und für die, die die religiösen Gefühle anderer verletzen.“
Da bin ich hellhörig geworden. Krankmachende Gottesbilder, ja, die gibt es wirklich. Es gibt Menschen die glauben, dass sie das Geheimnis Gottes gelüftet haben, dass sie genau wissen, wie Gott in jedem Fall reagiert, die mit ihren kranken Gottesvorstellungen Macht über andere Menschen ausüben wollen.
Ein paar Beispiele möchte ich ihnen bringen, wo der Name Gottes missbraucht wird:
1. Gott als Erziehungshilfe:
Vor über 40 Jahren habe ich in St. Pölten Theologie studiert. Von Zeit zu Zeit habe ich eine ältere Dame besucht, die irgendwie mit mir verwandt war. Als ich sie wieder einmal besuchte, passte sie auf ihr Enkelkind auf, ein Mädchen von ungefähr 4 Jahren. Irgendetwas hat das Mädchen angestellt – völlig harmlos. Jetzt wurde es Zeit, dass sich Gott einschaltet, weil das Kind böse war. Die alte Frau schlug mit dem Besenstiel gegen den Kasten und sagte: „Jetzt donnert es, der Himmelvater schimpft und ist böse auf dich.“ Wie soll dieses Kind später einmal ohne Angst an den lieben Gott glauben, wenn es immer wieder einen Gott erlebt hat, der wegen jeder Kleinigkeit das Kind bestraft hat und Angst verbreitet hat?
2. Gott als Moralkeule, die die Menschen niederschlägt:
Ein zwölfjähriger Bub hat Grippe. Am Samstag ist Fußballspiel. Die Freunde drängen ihn mitzuspielen. Sie sagen: „Wenn du nicht mitspielst, bringen wir keine elf Spieler zusammen.“ Die Eltern haben Bedenken, aber ihr Sohn möchte unbedingt spielen. Während des Spiels fällt der Bub zusammen. Es gibt keine Hilfe mehr. Der Bub ist tot.
Einige Wochen später ruft ein Priester an. Er möchte die Familie besuchen. Es ist nicht der Ortspfarrer, sondern der Priester eines Ordens, der vom Unglück erfahren hat. Nachdem ihm die Eltern von dem Unglück erzählt hatten, bediente er sich der moralischen Keule. Anstatt sie zu trösten und ihren Lebenswillen zu stärken, fragte er die Frau: „Denken Sie bitte nach, ob Sie irgendeinmal schwer gesündigt haben und der Tod ihres Kindes dafür eine Strafe ist.“
Nach diesem Gespräch waren die Eltern total fertig. Bei einem Besuch haben mir die Eltern erzählt, was damals vorgefallen ist und wie sehr sie darunter leiden.
Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Es gibt sie wirklich, diese krankmachenden Gottesbilder. Hätte der Priester nicht sagen können: „Liebe Familie, der Tod eures Sohnes hat euch in eine schwere Krise gestürzt. Ihr müsst jetzt zusammenhalten. Ich wünsche euch liebe Verwandte und Freunde, die diesen schweren Weg mit euch gehen. Ich wünsche euch die Kraft Gottes, den hl. Geist, der in euch wohnt. Ich wünsche euch, dass ihr wieder einmal lachen könnt. Den Tod eures Sohnes werdet ihr sowieso nie vergessen.“
Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Auch so könnte man von Gott reden!