Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Der hl. Severin, der Patron – d.h. der Beschützer unserer Pfarre, war ein hochbegabter Mensch. Er hatte ein starkes soziales Gewissen. Wo immer es Not in den Städten von Noricum gab, stand er den Menschen bei und half bei Hungersnöten mit Lebensmitteln aus. Er inszenierte sogar eine Kleidersammlung, weil die Menschen in der Kälte eines strengen Winters zu erfrieren drohten.
Der hl. Severin war auch im besten Sinn politisch tätig. Er hatte gute Kontakte zu den Völkerschaften nördlich der Donau. Der politische Kontakt zum Rugenkönig Feva war für den hl. Severin ein Glücksgriff. Warum, das werde ich ihnen jetzt erzählen:
Es gab damals regelmäßige Übergriffe der Barbaren auf Städte, in denen römische Soldaten lebten, aber auch Zivilbevölkerung. Menschen, die diese Übergriffe überlebt haben, holte der hl. Severin nach Lauriacum (Lorch bei Enns). Als der König der Rugen diese Leute nach Favianis (Mautern) deportieren wollte, baten die Menschen flehentlich den hl. Severin, den König umzustimmen, als dieser mit einem großen Heer anrückte. Nach einem Gespräch mit dem hl. Severin zog der König mit seinem Heer ab. Die Römer, die der hl. Severin unter seinen Schutz genommen hatte, zogen in andere Städte und lebten in freundschaftlicher Gemeinschaft mit den Rugen.
Der nächste Schritt folgte: Der hl. Severin erkannte ganz klar, dass die Befestigungsanlage an der Donau - der Limes – nicht zu halten war. Die Völker jenseits der Donau wurden immer stärker, manche wilden Horden überquerten die Donau und richteten großen Schaden an. Für eine gewisse Zeit war der Rugenkönig bereit, die Römer zu beschützen. Severin wusste, dass deren Zeit an der Donau zu Ende ging. Aus den stolzen Römern wurden jetzt Flüchtlinge. Aber der hl. Severin hatte ein Konzept. Er sorgte für einen reibungslosen Abzug der Römer nach Italien. Seine politischen Beziehungen bewirkten, dass aus dem Abzug keine gewaltsame Vertreibung mit vielen Toten wurde. Severin wurde zum Helfer der Flüchtlinge.
Severin selbst blieb noch eine Zeit lang in seinem Kloster in Favianis (Mautern).
Am 8. Jänner 482 starb er im Kloster. Als dann die letzten Römer aus dem Gebiet von Favianis in Richtung Italien abzogen, nahmen sie seinen Leichnam mit. Heute liegen seine Reliquien in einem Sarkophag in Frattamaggiore, einem Vorort von Neapel.
Der ehemalige Bürgermeister Willi Stift hat durch seine vielen Kontakte erreicht, dass eine kleine Monstranz mit einer Reliquie des hl. Severin jetzt in unserer Kirche steht.
Bei der Übergabe der Reliquie feierten wir – eine Gruppe aus Tulln – ein großartiges Fest und erlebten, wie schwungvoll und begeistert Italiener Feste feiern. Diese Reliquienmonstranz habe ich heute auf dem Altar aufgestellt. Es geht dabei nicht so sehr um ein kleines Knochenstück, sondern um das Festhalten und Weiterführen der guten Ideen, die der hl. Severin aus seinem Glauben heraus entwickelt hat.
Severin – Helfer der Flüchtlinge - habe ich zuvor gesagt. Natürlich war damals eine andere Situation. Römische Soldaten und die Zivilbevölkerung mussten aus Noricum fliehen. Sie flohen in die Heimat ihrer Vorfahren, aber trotzdem war ihr Leben bedroht von den Übergriffen der Barbaren. Da lässt sich heute gleich eine Brücke schlagen.
Seit dem Mai 2015 engagieren sich Leute aus St. Severin in der Flüchtlingshilfe, und seit Weihnachten gibt es auf der Pfarrwiese von St. Severin ein kleines Flüchtlingsdorf. Das alles entspricht dem Leben des hl. Severin, das ist in seinem Sinne.
Darum ist es gut, heute beim Severinfest allen ein Dankeschön zu sagen, die sich um die Flüchtlinge gekümmert haben und all denen, die es weiterhin tun.