Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Als ich in meiner Volksschulzeit Ministrant in meiner Heimatkirche in St. Valentin war, gab es noch nicht die Konzelebration, d.h., dass mehrere Priester gemeinsam am Hauptaltar die heilige Messe feierten. Wenn aber mehrere Priester zur Messe kamen, dann musste sie ja ein Ministrant beim Seitenaltar bedienen. Wenn ich beim Marienaltar meinen Dienst versehen durfte, sah ich über dem Altartisch ein Relief. Es stellte die Hochzeit von Josef und Maria dar, geleitet von einem Priester (eventuell von einem Hohepriester). Nachdem ich nie in einem Evangelium gehört hatte, dass die beiden offiziell geheiratet hätten, habe ich mir gedacht: "Damit alles seine Ordnung hat, wurde diese Hochzeit erfunden."
Wenn wir heute das Fest der heiligen Familie feiern, müssen wir sagen: Sie war eigentlich eine ganz und gar nicht heilige Familie. Da war eine unehelich schwangere Frau, ein Mann, der sich von dieser Frau verraten fühlte und aufgefordert werden musste, bei ihr zu bleiben, und ein Sohn, der als Erwachsener als Aufrührer und Rebell erlebt wurde.
Im heutigen Evangelium erleben wir den Alltag einer Familie mit all seinen Problemen. Wir erleben Mutter, Vater, ein Kind, Elternliebe und den Schmerz, wenn Kinder selbstständig werden und auf Distanz zur Familie gehen. Wir erleben aber auch, dass Jesus in Wahrheit viel mehr ist als der vermeintliche Sohn des Zimmermanns. Drei Tage suchen Maria und Josef ihren zwölfjährigen Sohn verzweifelt in ganz Jerusalem. Als sie ihn endlich im Tempel finden, kommt von Jesus keine Entschuldigung, sondern eher eine vorwurfsvolle Frage: „Warum habt ihr mich gesucht? Habt ihr nicht gewusst, dass ich bei meinem Vater sein muss?“
In dieser Szene werden Josef und Maria unsanft damit konfrontiert, dass sie eben keine ganz normale Familie sind. Sie merken: Unser Sohn ist anders, er gehört eigentlich nicht uns. Er gehört Gott und muss Gottes Willen erfüllen. Dass Jesus mit ungefähr 30 Jahren seinen Beruf aufgibt und Wanderprediger wird, scheint seiner Verwandtschaft auch nicht gefallen zu haben.
Die heilige Familie wird uns heute als Maß für ein christliches Familienleben vorgestellt. Was ist der Grund dafür? Trotz aller Probleme, die die heilige Familie gehat hat, weist uns die Lesung auf Eigenschaften hin, die eine Familie zusammenhalten: Güte, Demut, Milde, Geduld und Bereitschaft zum Verzeihen.
Das heutige Fest lädt uns ein, dass wir uns neu auf die Werte besinnen, die unsere Familien zusammenhalten. Auch heute halten viele Menschen die Geborgenheit in einer Familie für einen äußerst wichtigen Wert. Aber die Wirklikchkeit kommt oft nicht an das Ideal heran. Da gibt es Reibereien, Streitereien und heftige Diskussionen.
Eine heilige Familie – auch die, die wir heute feiern – trägt keinen Heiligenschein. Heilige Familie bedeutet nicht eine ideale Familie. Für mich besteht eine heilige Familie, damals und heute, aus Menschen, die am Glauben an das Gute im anderen und am Glauben an Gott festhalten, trotz aller Probleme. Menschen, die den Weg mit Jesus gehen.