Liebe Gottesdienstgemeinschaft!
Im Gymnasium haben wir große Teile von Goethes Faust gemeinsam gelesen. Dr. Faust, ein Mensch der möglichst alles wissen und erforschen will, versucht sich auch als Bibelübersetzer. Er hat den Beginn des Johannesevangeliums vor sich. Aus dem Griechischen will er die Bibel ins Deutsche übersetzen. Gleich am Anfang hat er ein Problem. Da kommt das griechische Wort λόγος (logos) vor. Normalerweise wird das mit „Wort" übersetzt. Aber es kann natürlich auch andere Bedeutungen haben. Dr. Faust probiert es mit Sinn, dann übersetzt er: Im Anfang war die Kraft und schließlich schreibt er nieder: Im Anfang war dieTat. Das passt für ihn, er ist ja ein Mann der Tat.
Ein Wiener Psychiater – Viktor Frankl – nennt seine Schule und Methode: Logotherapie. Er übersetzt λόγος mit „Sinn". Er will damit sagen: „Wenn ein seelisch kranker Mensch wieder einen Sinn in seinem Leben findet, dann ist die Chance auf Heilung sehr groß. Der Therapeut hat die Aufgabe, den leidenden Menschen bei der Suche nach dem Sinn zu helfen und die neue Einstellung zu festigen.
Eines hat mir bei dieser Schule der Psychiatrie besonders gefallen: Es ist die Entdeckung der Bibliotherapie. Viktor Frankl hat eine grausame Zeit im KZ verbracht. Seine Familie ist in der Gaskammer getötet worden. Die schrecklichen Ereignisse hat er in einem Buch niedergeschrieben. Das Buch hat den Titel: „Trotzdem ja zum Leben sagen". Er redet da von der Trotzmacht des Geistes. Diese Kraft des Geistes hat ihm geholfen, die „Hölle" zu überleben.
Dieses Buch hat viele Menschen aufgerichtet. Dieses Buch hat vielen Menschen neuen Lebenssinn und Lebensmut geschenkt.
So hat Viktor Frankl erlebt, dass aufbauende Bücher die Menschen mit Depressionen aufmuntern können. Bücher können das Leben eines Menschen verändern.
Das Wort Bibliotherapie hat mich auf eine Idee gebracht. Ist nicht unsere Bibel, das Buch der Bücher, fähig dem Menschen Kraft zu schenken? Ist dieses Buch nicht fähig, das Leben eines Menschen zu verändern?
Goethes Faust hat versucht, das Evangelium nach Johannes ins Deutsche zu übersetzen. Aber beim Wort Logos hatte er schon seine Probleme. Was soll dieses Wort heißen?
Heißt es Wort? Heißt es Sinn? Heißt es Kraft? Heißt es Tat?
Lieber Herr Goethe! Ich danke dir, dass Dr. Faust sich mit diesem Text befasst. Dieser Text beschäftigt auch uns. Wir übersetzen λόγος mit „Wort" und wir meinen Jesus ist das Wort.
Denn in Jesus hat sich Gott in unnachahmlicher Weise uns gegenüber ausgesprochen. Er hat Worte für Gott gefunden, die die Menschen glücklich gemacht haben: „Gott ist Vater" „Gott ist die Liebe"
Aber auch Sinn passt mir als Übersetzung sehr gut, weil so viele Menschen auf der Welt in Jesus und im Glauben an ihn einen tiefen Sinn entdeckt haben.
Man könnte λόγος auch mit Kraft übersetzen. Das passt mir auch. Denn durch die Kraft des hl. Geistes kam Jesus in diese Welt.
Faust übersetzt λόγος zuletzt mit Tat. Das passt mir genauso. Es war Gottes Tat, dass Jesus in diese Welt kam. Es war eine Tat aus Liebe zu den Menschen.
Λόγος kann also viel heißen: Es heißt Wort, es bedeutet Jesus, es kann heißen Sinn, Kraft und auch Tat.
Lieber Herr Goethe!
Lieber Dr. Faust!
Ich danke für diese Auslegung des Beginns des Johannesevangeliums. Das hat mir bei der Predigtvorbereitung viel geholfen. Danke!